Schwertträger im Aquarium: Welchen Zweck hat die verlängerte Schwanzflosse wirklich?

Der Schwertträger (lat. Xiphophorus hellerii) ist einer der beliebtesten Süßwasserzierfische in der Aquaristik. Mit seinem leuchtenden Farbspektrum, seiner robusten Art und seinem friedlichen Sozialverhalten gehört er zu den Klassikern für Anfänger und Fortgeschrittene gleichermaßen. Besonders markant ist das namensgebende „Schwert“ – eine verlängerte untere Schwanzflosse (Caudale), die ausschließlich bei den Männchen zu finden ist.
Doch was steckt hinter diesem auffälligen Körpermerkmal? Hat die verlängerte Schwanzflosse des Schwertträgers einen biologischen Zweck oder handelt es sich lediglich um eine zufällige Laune der Evolution? In diesem Artikel beleuchten wir die Herkunft, Funktion und Bedeutung dieser Flossenverlängerung aus biologischer, evolutionärer und aquaristischer Sicht – und klären, ob sie für die Haltung im Aquarium besondere Auswirkungen hat.

Herkunft und Verbreitung des Schwertträgers
Bevor wir uns dem anatomischen Detail widmen, lohnt ein Blick auf die Herkunft des Schwertträgers. Ursprünglich stammt Xiphophorus hellerii aus Mittelamerika – insbesondere aus den Süßwasserflüssen und -bächen Mexikos, Belizes, Guatemalas und Honduras. In freier Wildbahn lebt der Schwertträger in langsam fließenden oder stehenden Gewässern mit dichter Vegetation.
Die Artenvielfalt innerhalb der Gattung Xiphophorus ist bemerkenswert. Es gibt zahlreiche Unterarten und Hybriden, die sich teils stark in Farbe, Körperform und Flossenstruktur unterscheiden. Besonders beliebt in der Aquaristik sind Zuchtformen mit intensiven Farbschlägen wie Rot, Grün, Schwarz oder sogar Mosaikmuster. Doch bei allen Männchen bleibt ein Merkmal konstant: die schwertartige Verlängerung der unteren Schwanzflosse.
Anatomie der Schwanzflosse: Was ist das „Schwert“?
Die sogenannte Schwertverlängerung ist eine modifizierte untere Schwanzstrahlverlängerung der Caudale. Bei genauer Betrachtung erkennt man, dass es sich nicht um ein zusätzliches Körperteil handelt, sondern um eine Umwandlung vorhandener Flossenstrahlen, die durch selektive Zucht über Generationen verlängert und optisch betont wurde.

Die Schwertverlängerung ist meist gerade, spitz zulaufend und in der Regel farblich akzentuiert – bei Wildformen gelb oder olivgrün, bei Zuchtformen auch tiefrot oder schwarz. Weibliche Schwertträger besitzen diese Verlängerung nicht, was auf eine geschlechtsspezifische Funktion hindeutet.
Biologische Funktion: Wozu dient das Schwert?
Sexuelle Selektion – Ein Werbemittel für Weibchen
Die dominante Theorie in der Ichthyologie (Fischkunde) lautet: Die verlängerte Schwanzflosse hat primär eine Funktion in der Partnerwahl. Das Schwert dient als sekundäres Geschlechtsmerkmal, ähnlich wie das Geweih beim Hirsch oder die prachtvollen Schwanzfedern beim Pfau.
Weibliche Schwertträger bevorzugen nachweislich Männchen mit längeren und auffälligeren Schwertern. In verschiedenen Studien konnte gezeigt werden, dass Weibchen systematisch Partner mit größerem „Schwert“ bevorzugen – selbst dann, wenn es sich bei den Männchen um andere Xiphophorus-Arten handelt, denen künstlich ein „Schwert“ angefügt wurde.

Diese Vorliebe der Weibchen führt zu einer sogenannten sexuellen Selektion: Männchen mit ausgeprägter Schwanzverlängerung pflanzen sich häufiger fort und geben ihre Gene weiter – was langfristig zur Verstärkung dieses Merkmals in der Population führt.
Rivalität unter Männchen – Imponiergehabe
Neben der Anziehung von Weibchen hat das Schwert auch eine Rolle im Konkurrenzkampf unter Männchen. In natürlichen Gruppen sind soziale Hierarchien erkennbar. Männchen mit längerem Schwert wirken dominanter und setzen sich häufiger gegen Konkurrenten durch. Das Flossenmerkmal dient also auch als Statussymbol innerhalb der Gruppe.
Täuschung von Fressfeinden? – Eine umstrittene Hypothese
Einige Forscher vertreten die These, dass das Schwert potenzielle Fressfeinde ablenken könnte. Die auffällige Flosse soll das Auge des Räubers auf einen weniger lebenswichtigen Körperteil lenken, wodurch der Schwertträger bei einem Angriff bessere Überlebenschancen hätte. Diese Theorie ist allerdings umstritten, da eine vergrößerte Schwanzflosse auch den Energieverbrauch erhöht und die Beweglichkeit einschränken kann – was den Fisch theoretisch verwundbarer machen würde.
Einfluss der Schwanzflossenverlängerung auf das Verhalten im Aquarium
Für Aquarianer ist vor allem wichtig zu wissen, ob das Schwert einen Einfluss auf das Verhalten im heimischen Becken hat. Tatsächlich zeigen sich bei Männchen mit besonders langen Schwertern einige interessante Phänomene:
- Dominanzverhalten: In Gruppen mit mehreren Männchen bilden sich oft Hierarchien, wobei Männchen mit längeren Schwertern tendenziell dominanter sind.
- Häufigeres Balzverhalten: Diese Männchen sind aktiver bei der Werbung um Weibchen – sie zeigen häufiger das charakteristische "Umkreisen" oder "Zucken" als Teil des Paarungstanzes.
- Bewegungseinschränkung bei extremen Zuchtformen: In überzüchteten Varianten kann die Flossenverlängerung so stark ausgeprägt sein, dass sie die Schwimmfähigkeit beeinträchtigt. Hier ist eine artgerechte Haltung besonders wichtig, um Stress und Krankheiten zu vermeiden.
Häufige Fragen (FAQs)
1. Haben weibliche Schwertträger auch eine verlängerte Schwanzflosse?
Nein. Die verlängerte Schwanzflosse ist ein sekundäres Geschlechtsmerkmal und ausschließlich bei Männchen zu finden. Weibchen haben eine rundere, kürzere Schwanzflosse.
2. Können Weibchen Schwertträger-Männchen mit sehr langen Schwertern ablehnen?
Ja, in Ausnahmefällen. Wenn das Schwert unnatürlich lang ist oder die Beweglichkeit einschränkt, kann das Weibchen ein solches Männchen als ungesund wahrnehmen. Allgemein bevorzugen sie aber auffällige Schwerter.
3. Gibt es auch Schwertträger-Arten ohne verlängerte Schwanzflosse?
Innerhalb der Xiphophorus-Gattung gibt es Arten ohne diese Flossenverlängerung, etwa den Platy (Xiphophorus maculatus). Einige Wildformen des Schwertträgers zeigen ebenfalls nur eine sehr moderate Verlängerung.
4. Kann das Schwert nach Verletzungen nachwachsen?
Ja, beschädigte Flossenanteile können regenerieren. Bei guter Wasserqualität und gesunder Ernährung ist eine vollständige Heilung oft möglich, wenngleich das Schwert nicht immer in ursprünglicher Länge zurückkehrt.
5. Hat das Schwert Einfluss auf den Energieverbrauch?
Tatsächlich ja. Längere Flossen benötigen mehr Energie beim Schwimmen. Bei Wildformen ist dies durch Selektion gut ausgeglichen, bei extremen Zuchtformen kann es aber zu Belastungen kommen.
Fazit
Die verlängerte Schwanzflosse des Schwertträgers ist mehr als nur ein optischer Gag – sie erfüllt wichtige biologische Funktionen. In erster Linie dient sie der sexuellen Selektion: Sie hilft den Männchen, sich von der Konkurrenz abzuheben und Weibchen zu beeindrucken. Zusätzlich wirkt sie auch auf das Sozialverhalten innerhalb männlicher Gruppen und kann – zumindest theoretisch – eine Rolle im Schutz vor Fressfeinden spielen.
Für Aquarianer ist es wichtig, sich der Auswirkungen bewusst zu sein, die extreme Zuchtformen mit überproportionalen Schwertern mit sich bringen können. Während natürliche oder moderat verlängerte Schwerter das Verhalten bereichern und das Sozialgefüge spannender machen, können übertriebene Varianten zu gesundheitlichen Problemen führen.
Wer Schwertträger im Aquarium hält, sollte daher auf eine artgerechte Zuchtlinie achten, ausgewogene Geschlechterverhältnisse schaffen (idealerweise 2-3 Weibchen pro Männchen), und das Sozialverhalten genau beobachten. Dann steht einer erfolgreichen und faszinierenden Haltung dieser beeindruckenden Lebendgebärenden nichts im Wege.