Begriffe erklärt: Was ist aerob und anaerob?
In der faszinierenden Welt der Aquaristik spielen biologische Prozesse eine zentrale Rolle für das Gleichgewicht eines Aquariums. Besonders im Zusammenhang mit der Wasserqualität, dem Stickstoffkreislauf und der Filterbiologie tauchen immer wieder zwei Begriffe auf, die viele Aquarianer zunächst verwirren können: aerob und anaerob. Diese Begriffe stammen aus der Biologie und beschreiben grundlegende Unterschiede in der Lebensweise von Mikroorganismen – insbesondere im Hinblick auf ihren Sauerstoffbedarf.
Für das gesunde Funktionieren eines Aquariums ist das Verständnis dieser Begriffe essenziell. In diesem Artikel erklären wir ausführlich, was aerob und anaerob bedeutet, welche Rolle entsprechende Bakterien im Aquarium spielen und wie man diese Prozesse gezielt nutzen kann, um ein stabiles biologisches Gleichgewicht zu schaffen.
Definition der Begriffe
Was bedeutet "aerob"?
Der Begriff aerob stammt aus dem Griechischen und bedeutet wörtlich „mit Luft“ bzw. „mit Sauerstoff“. In der Biologie bezeichnet man mit „aerob“ Organismen, die für ihren Stoffwechsel auf Sauerstoff angewiesen sind. Sie benötigen molekularen Sauerstoff (O₂), um Energie aus organischen Verbindungen zu gewinnen.
In einem Aquarium bedeutet dies konkret: Aerobe Bakterien siedeln sich bevorzugt in gut durchströmten Bereichen mit hohem Sauerstoffgehalt an, zum Beispiel in Filtermaterialien, an Oberflächen von Pflanzen, auf Steinen oder im oberen Bodengrund.
Was bedeutet "anaerob"?
Der Begriff anaerob bedeutet „ohne Luft“ bzw. „ohne Sauerstoff“. Anaerobe Organismen benötigen keinen molekularen Sauerstoff für ihren Stoffwechsel. Im Gegenteil: Für viele anaerobe Bakterien ist Sauerstoff sogar toxisch. Sie gewinnen ihre Energie durch andere Stoffwechselprozesse, etwa durch die Reduktion von Nitrat zu gasförmigem Stickstoff oder durch die Vergärung organischer Verbindungen.
Anaerobe Bedingungen herrschen in tieferen Schichten des Bodengrundes, in schlecht durchströmten Bereichen oder in sauerstoffarmen Zonen, zum Beispiel hinter Dekorationen oder in zu dicht gepacktem Filtermaterial.
Bedeutung für das Aquarium
Aerobe Bakterien im Aquarium
Aerobe Bakterien sind maßgeblich an der Nitrifikation beteiligt – einem zentralen Schritt im Stickstoffkreislauf eines Aquariums. Dabei wandeln sie giftiges Ammonium (NH₄⁺) bzw. Ammoniak (NH₃), das durch Ausscheidungen der Fische, Futterreste und Pflanzenabbau entsteht, zunächst in Nitrit (NO₂⁻) und anschließend in Nitrat (NO₃⁻) um.
Die zwei wichtigsten Gruppen aerober Bakterien in diesem Prozess sind:
- Nitrosomonas: wandeln Ammonium zu Nitrit um
- Nitrobacter: wandeln Nitrit zu Nitrat um
Beide Prozesse benötigen viel Sauerstoff, weshalb diese Bakterien vor allem im Filter und in gut belüfteten Bereichen des Aquariums aktiv sind. Eine ausreichende Sauerstoffzufuhr ist also essenziell für ihre Arbeit. Andernfalls kann es zu einem gefährlichen Anstieg von Ammonium oder Nitrit kommen – beides hochgiftig für Fische.
Anaerobe Bakterien im Aquarium
Anaerobe Bakterien übernehmen vor allem die sogenannte Denitrifikation – die Umwandlung von Nitrat in gasförmigen Stickstoff (N₂), der dann aus dem Aquarium entweichen kann. Dieser Prozess findet ausschließlich unter sauerstoffarmen Bedingungen statt.
Typische anaerobe Bakterien sind zum Beispiel:
- Pseudomonas
- Clostridium
- Desulfovibrio
Diese Mikroorganismen spielen eine wichtige Rolle bei der Reduzierung von Nitratwerten im Aquarium, was besonders für empfindliche Fischarten oder bei Algenproblemen relevant ist. Zu hohe Nitratwerte können das Pflanzenwachstum stören, Algen begünstigen und langfristig zu Stress bei den Tieren führen.
Praktische Relevanz für Aquarianer
Wie fördert man aerobe Bakterien?
- Effiziente Filterung: Gute Durchströmung und ausreichend Oberfläche im Filtermaterial fördern die Ansiedlung aerober Bakterien.
- Belüftung: Luftsprudler oder Oberflächenbewegung durch den Filter sorgen für Sauerstoffeintrag ins Wasser.
- Regelmäßige Wartung: Filterreinigung sollte vorsichtig erfolgen, damit die Bakterienkulturen nicht zerstört werden.
- Einlaufphase: Nach dem Einrichten eines Aquariums dauert es mehrere Wochen, bis sich stabile aerobe Bakterienkulturen etabliert haben. Geduld ist hier entscheidend.
Wie fördert man anaerobe Bakterien?
- Tiefe Bodenschichten: In einem tiefen Bodengrund (ab ca. 5–10 cm), zum Beispiel aus Sand oder feinem Kies, können sich anaerobe Zonen bilden.
- Dekorationsbereiche mit geringer Strömung: In solchen „toten Ecken“ kann Sauerstoffarmut entstehen, was anaeroben Bakterien zugutekommt.
- Spezielles Filtermaterial: Einige Filtermedien sind so konzipiert, dass sie im Inneren anaerobe Bedingungen schaffen, beispielsweise Sinterglas oder Bio-Home.
Wichtig: Anaerobe Prozesse können auch gefährlich werden, wenn sich Faulgase wie Schwefelwasserstoff (H₂S) bilden. Diese sind giftig für Fische. Deshalb sollte man anaerobe Zonen kontrolliert einrichten und regelmäßig beobachten.
FAQs – Häufig gestellte Fragen
Was ist besser – aerobe oder anaerobe Bakterien?
Beide Arten sind wichtig und erfüllen unterschiedliche Aufgaben. Aerobe Bakterien sind unverzichtbar für die Umwandlung von Ammonium und Nitrit, während anaerobe Bakterien beim Nitratabbau helfen. Ein ausgewogenes Ökosystem profitiert von beiden Gruppen.
Wie erkenne ich anaerobe Zonen im Aquarium?
Typische Anzeichen sind dunkle oder schwarze Stellen im Bodengrund, fauliger Geruch beim Umgraben des Substrats oder Blasenbildung. Vorsicht: Diese Gase können giftig sein.
Kann ich anaerobe Prozesse gezielt nutzen?
Ja, zum Beispiel durch den Einsatz spezieller Biofilter, Tiefsandböden oder Denitrifikationskammern. Dabei ist aber Fachwissen nötig, um schädliche Nebenwirkungen zu vermeiden.
Wie lange dauert es, bis sich aerobe Bakterien entwickeln?
Nach dem Einrichten eines Aquariums dauert es etwa 2 bis 6 Wochen, bis stabile Populationen vorhanden sind. Starterbakterien können den Prozess beschleunigen, ersetzen aber keine vollständige Einfahrphase.
Kann ich durch zu starke Belüftung anaerobe Prozesse verhindern?
Ja. Wenn überall im Aquarium viel Sauerstoff vorhanden ist, können sich anaerobe Bakterien nicht ansiedeln. Das ist in der Regel gewünscht, außer man möchte gezielt eine Denitrifikation einbauen.
Fazit
Das Verständnis der Begriffe aerob und anaerob ist für jeden Aquarianer von zentraler Bedeutung. Sie beschreiben zwei unterschiedliche Lebensweisen von Mikroorganismen, die jeweils wichtige Funktionen im biologischen Gleichgewicht eines Aquariums übernehmen.
Aerobe Bakterien sind die Arbeitstiere der Filterbiologie – sie wandeln schädliches Ammonium über Nitrit in weniger gefährliches Nitrat um. Anaerobe Bakterien hingegen helfen, überschüssiges Nitrat wieder in gasförmigen Stickstoff umzuwandeln und so aus dem System zu entfernen.
Wer sich intensiv mit seinem Aquarium beschäftigt, kann beide Prozesse gezielt fördern und nutzen. Dabei sollte man jedoch stets auf ein gutes Gleichgewicht achten – zu viele anaerobe Zonen können zu Problemen führen, während ein Mangel an Sauerstoff die Nitrifikation hemmt.
Ein gut durchdachtes Aquariumkonzept berücksichtigt die Lebensbedingungen beider Bakterientypen und schafft so die Grundlage für ein stabiles, gesundes Ökosystem für Fische, Pflanzen und andere Aquarienbewohner.